Beitrag von Melanie Kahl und Mandy Weber
„Der Bedarf an Gesundheitsförderung in Sachsen-Anhalt ist groß!“
Sachsen-Anhalt steht vor großen demografischen und sozialen Herausforderungen: Bevölkerungsrückgang, eine alternde Gesellschaft und hohe Armutsquoten prägen das Land. Melanie Kahl und Mandy Weber, Geschäftsführerinnen der Landesvereinigung für Gesundheit, fordern daher, Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe stärker in den Mittelpunkt zu stellen und Health in and for All Policies engagiert umzusetzen.
Sachsen-Anhalt gehört mit 2,1 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern zu den Bundesländern mit geringerer Bevölkerungszahl. Bis 2050 wird sich diese nach aktuellen Prognosen um 16 Prozent weiter deutlich reduzieren. Parallel zeigt ein Blick in soziodemografische Daten, dass Sachsen-Anhalt das Bundesland mit dem höchsten Durchschnittsalter ist. Jede fünfte gemeldete Person ist von Armut bedroht. Die Mortalitätsrate für Herzkreislauferkrankungen und Krebs ist hier im Bundesvergleich am höchsten. Zugleich ist das Flächenland jenseits der drei kreisfreien Städte Magdeburg, Halle und Dessau durch viele strukturschwache Regionen geprägt.
Aus dieser Ausgangslage resultiert ein großer Bedarf an Gesundheitsförderung, Prävention und Sicherung der gesundheitlichen Daseinsfürsorge, der durch gemeinsame Anstrengungen verschiedenster Akteure in unserem Bundesland gedeckt und aufgrund begrenzter Ressourcen bedarfsgemäß ausgerichtet werden muss.
Aufgaben und Handlungsansätze der Landesvereinigung für Gesundheit
Die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V. (LVG) versteht sich bei dieser Aufgabenstellung sowohl als projektdurchführende Institution, die mit ihrem Team - meist modellhaft - relevante Akteure vor Ort unterstützt und begleitet, als auch als sektorübergreifende Beratungsinstanz und Netzwerk-Akteur. Sie bringt ihre Praxiserfahrungen und die Bedarfe „der Basis“ in Gremien, Fach-Arbeitskreisen, gegenüber Politik und an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Praxis ein.
Seit 2003 ist die LVG mit dem strategischen Management der Landes-Gesundheitsziele beauftragt. Diese umfassen die Bereiche Ernährung, Bewegung, legaler Suchtmittelkonsum, Impfen, Zahngesundheit und psychische Gesundheit. Durch das Präventionsgesetz und die Landespräventionsstrategie hat die Gesundheitsförderung in den vergangenen Jahren einen zusätzlichen Aufschwung in Sachsen-Anhalt erhalten. Dieser befördert unter anderem den Transfer der Gesundheitsziele von der Landesebene über die Landkreise bis in die Kommunen.
Die LVG unterstützt diesen Prozess mithilfe ihrer Projekte, vor allem durch die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC). Diese berät und begleitet die Gebietskörperschaften und einzelne Kommunen. Dabei entwickelt sich die Kommune mittlerweile zum Dachsetting, wodurch der langjährige Einzel-Setting-Ansatz zunehmend in ein integratives Handeln auf kommunaler Ebene überführt wird. Einzelprojekte der LVG ermöglichen den inhaltlich-fachlichen Schulterschluss zur den Beratungen durch die KGC. So bietet sich die Chance, Gesundheitsförderung als integrativen Bestandteil von Kreisentwicklungskonzepten mitzudenken - verankert an den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), aber auch an weitere Verwaltungsebenen. Die Gesundheitskoordinatoren, Quartiersmanager und regionale Vereine und Initiativen sind dabei wichtige Partner der LVG.
Erfolge der Landesvereinigung für Gesundheit
Viele Projekte der LVG und ihrer Kooperationspartner haben es von der einmaligen modellhaften Erprobung über die Jahre in eine dauerhafte Nachnutzung und/oder landesweite Strukturentwicklung geschafft. So wurde beispielsweise die im Jahr 2006 in Kooperation mit einer Kita durchgeführte Erprobung und Etablierung eines Trinkbrunnens bis heute von rund 180 weiteren Kitas und Schulen landesweit umgesetzt.
Im Arbeitskreis Zahngesundheit des Gesundheitszieleprozesses entstanden aus einem Modellprojekt zu aufsuchender zahnärztlicher Betreuung in einem Magdeburger Pflegeheim im Jahr 2004 mittlerweile landesweit 319 Kooperationsverträge zwischen niedergelassenen Zahnärzten und Pflegeheimen zur Sicherstellung zahnärztlicher Versorgung von Pflegebedürftigen.
Die Zertifizierungsverfahren „Audit Gesunde Kita“ und „Audit Gesunde Schule"“ unterstützen Bildungsstätten bei der gesundheitsfördernden Organisationsentwicklung. Einige Schulen haben die Kategorien des Audits zum Fundament ihres allgemeinen Schulkonzeptes gemacht. Sie berichten, dass ihre durch das Audit beförderte Organisationsentwicklung in den aktuell umbruchreichen Zeiten als starker Resilienzfaktor für ihr Team und die Kinder wirkt.
Die langjährigste „Gesunde Schule“ ist mittlerweile seit 20 Jahren durchgängig zertifiziert, die langjährigste „Gesunde Kita“ seit 19 Jahren. Und auf kommunaler Ebene bildete eines unserer mehrjährigen Projekte zur kommunalen Gesundheitsförderung mit dem Landkreis Mansfeld-Südharz eine Grundlage für die erfolgreiche, eigenständige Weiterbearbeitung der Thematik - auch mit Unterstützung der im Anschluss an das Modellprojekt beim Landkreis tätigen Gesundheitskoordinatorin.
Wünsche für die Zukunft
Mit der Einführung des Präventionsgesetzes haben Gesundheitsförderung und Prävention im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor, weiter an Bedeutung gewonnen und in der Umsetzung einen zusätzlichen Zuwachs erfahren. Unsere soziodemografische und gesellschaftliche Entwicklung fordert auch in Zukunft einen starken Fokus auf Gesundheitsförderung. Dabei sind der Setting- und der Multiplikatorenansatz, die Strukturentwicklung und Health in and for All Policies bedeutender denn je! In diesem Sinne wäre es zielführend, das Präventionsgesetz weiterzuentwickeln.
Wünschenswert für strukturbildende Gesundheitsförderungsmaßnahmen wären zudem längere Projektlaufzeiten und die Überführung erfolgreicher Modelle in unbefristete Programme. Entwicklungsprozesse und Strukturaufbau in Settings kosten Zeit - denn die Player und Entscheidungsträger vor Ort sind nicht selten „fachfremd" in der Gesundheitsförderung und benötigen Unterstützung bei der Anwendung von Strategien und der Suche nach dem besten Weg für ihr Setting. Auch der Transfer guter Modelle in die Fläche ist kein Selbstläufer und wird in der Finanzierung von Gesundheitsförderungsmaßnahmen meist noch nicht hinreichend berücksichtigt.
Von der BVPG wünschen wir uns auch weiterhin, die modernen Ansätze der Gesundheitsförderung auf Bundesebene fachlich und politisch zu vertreten und damit Rückenwind für die Maßnahmen auf Länderebene zu geben.
Melanie Kahl | Seit Januar 2024 | Geschäftsführerin (fachliche Leitung), seit 2006 Mitarbeiterin der Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V. (LVG), Dipl.-Gesundheitswirtin.
Mandy Weber | Seit Januar 2024 Geschäftsführerin (wirtschaftliche Leitung), seit 2001 Mitarbeiterin der Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V. (LVG), Dipl.-Gesundheitswirtin
Gründung: 1990
Schwerpunktthemen: Strategisches Management der Landes-Gesundheitsziele, Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit in allen Altersgruppen der Gesellschaft, gesundheitsfördernde Weiterentwicklung einzelner Settings unter dem Dachsetting Kommune durch Strukturentwicklung und Multiplikatoren-Ansatz
Anzahl Mitarbeitende: 20
Anzahl Mitglieder: 30
Organisationsstruktur: Gemeinnütziger, eingetragener Verein
Finanzierung: Volumen ca. 1.700.000 €; institutionelle Sockel-Förderung durch das Land, Projektförderung u.a. durch Landes- und Bundesministerien, Gesetzliche Krankenkassen, Unfallkasse
In 13 Bundesländern gibt es Landesvereinigungen bzw. Landeszentralen für Gesundheit(sförderung), die über die BVPG auf Bundesebene vertreten werden. Jährlich finden zwei Kooperationstreffen mit den Landesvereinigungen und der BVPG statt.
