Interview mit Prof. Dr. Ulrich Reininghaus
„Investitionen in psychische Gesundheit lohnen sich wirtschaftlich und sozial“
Zum Schwerpunkt „Psychische Gesundheit“ hat die BVPG-Arbeitsgruppe evidenzbasierte Empfehlungen in einem Policy Paper veröffentlicht. Dazu ein Interview mit BVPG-Vorstandsmitglied und Leiter der AG, Prof. Dr. Ulrich Reininghaus, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit.
Warum ist das Thema „Psychische Gesundheit“ von hoher Relevanz zur Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland?
Psychische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des allgemeinen Wohlbefindens und der Lebensqualität. In Deutschland, wie auch weltweit, nehmen psychische Erkrankungen zu, und das belastet nicht nur die betroffenen Individuen, sondern auch das Gesundheitssystem und die Gesellschaft als Ganzes. Indem wir psychische Gesundheit in den Mittelpunkt der Prävention und Gesundheitsförderung rücken, können wir frühzeitig intervenieren, um Erkrankungen zu verhindern oder ihre Auswirkungen zu minimieren, was letztlich auch zu einer gesteigerten Lebensqualität und Produktivität führt.
Welche konkreten Ziele verfolgt die BVPG mit Policy Paper 2025, insbesondere zum Themenschwerpunkt „Psychische Gesundheit“?
Wir möchten, dass ein umfassender Rahmen für Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit geschaffen wird. Es geht nicht nur um individuelles Wohlbefinden, sondern um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wir empfehlen deshalb „Mental Health in All Policies“, d. h.: psychische Gesundheit sollte in allen politischen Entscheidungen und Handlungsfeldern berücksichtigt werden. Konkrete Empfehlungen zur Stärkung von psychischer Gesundheit im BVPG-Policy Paper umfassen den Ausbau der Mental Health Surveillance, die Verbesserung der Zugänglichkeit und Qualität entsprechender Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung sowie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Implementierung evidenzbasierter Präventionsstrategien, die speziell auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zugeschnitten sind, einschließlich Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und vulnerable Gruppen.
Welche Rolle spielt die Politik bei der Umsetzung dieser Empfehlungen?
Die politische Unterstützung ist unverzichtbar, um wirkungsvolle Veränderungen herbeizuführen. Entscheidende müssen erkennen, dass Investitionen in die psychische Gesundheit langfristig wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen. Wir benötigen klare politische Richtlinien und ausreichende finanzielle Mittel, um die im Policy Paper vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Wir empfehlen, eine Zuständigkeit für psychische Gesundheit auf Bundesebene sichtbarer zu verankern, Gesundheits-Checks für alle Gesetzesvorhaben einzuführen und die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung als Plattform für Kooperation und Vernetzung zu stärken.
Welche Mitgliedsorganisationen der BVPG waren in der Arbeitsgruppe zum Thema „Psychische Gesundheit“ unter Ihrer Leitung beteiligt, und welche externen Expertinnen und Experten haben mitgewirkt?
In der Arbeitsgruppe waren verschiedene Mitgliedsorganisationen der BVPG vertreten, darunter führende Gesundheitsinstitutionen, Universitäten und Fachverbände. Zu den externen Expertinnen und Experten gehörten renommierte Forschende aus der Psychiatrie, Psychologie, Sozialwissenschaften und Public Health. In unseren Empfehlungen „Psychische Gesundheit als Schlüsselthema in der Politik“ haben wir die Mitwirkenden auch im Einzelnen benannt. Diese in der AG verwirklichte interdisziplinäre Zusammenarbeit ist entscheidend, um die verschiedenen Facetten der psychischen Gesundheit abdecken zu können und um sicherzustellen, dass unsere Empfehlungen praxisnah und wirkungsvoll sind. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir u. a. Dr. Johannes Klein-Heßling, wissenschaftlicher Referent bei der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), gewinnen konnten. Für vertiefende Erkenntnisse empfehle ich als Lektüre seinen Blog-Beitrag zu unserem AG-Thema. (Hinweis: Der Beitrag erscheint in Kürze).
Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG).
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Prof. Dr. Ulrich Reininghaus | Seit 2018 Heisenberg-Professor und Leiter der Abteilung Public Mental Health am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und Gastprofessor am ESRC Centre for Society and Mental Health, King's College London; davor Associate Professor an der School for Mental Health and Neuroscience der Universität Maastricht. 2011 Promotion an der Queen Mary University of London, danach Ausbildung als Postdoc am Department of Psychiatry der University of Cambridge sowie am Centre for Epidemiology and Public Health, King's College London. Ulrich Reininghaus hat für seine Arbeit mehrere kompetitive Fellowships und Preise erhalten (von NIHR, NWO, DFG, DGPPN). Hauptforschungsinteresse: Transfer von innovativen, evidenzbasierten Interventionen zur Förderung der psychischen Gesundheit sowie Prävention und psychosozialen Versorgung von psychischen Erkrankungen in die Lebenswelten sowie deren Akzeptanz, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit, insbesondere bei vulnerablen Gruppen, um gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern.