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Beitrag von Petra Hofrichter und Alexis Malchin

„Wir gestalten gerechtere Chancen auf Gesundheit. Gemeinsam. Wirksam. Konkret“

Alle Menschen sollen die gleichen Chancen auf ein Leben in Selbstbestimmung und guter Gesundheit haben. Dafür setzt sich die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) ein. Über den Purpose der HAG „ Wir gestalten gerechtere Chancen auf Gesundheit. Gemeinsam. Wirksam. Konkret “ sprechen die Geschäftsführerinnen Petra Hofrichter und Alexis Malchin.

Porträt von Petra Hofrichter und Alexis Malchin, Geschäftsführung Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG)
© HAG-Brava Studio

 

Der Stadtstaat Hamburg mit seiner Bevölkerung von rund 1,9 Millionen Menschen zeichnet sich durch Vielfalt, Wachstum und räumliche Gegensätze aus. Die Bevölkerungszahl wächst und die Stadt wird internationaler. Im Jahr 2022 hatten 28,9 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger eine Einwanderungsgeschichte (Bundesdurchschnitt 21,9 Prozent).

In Hamburg leben die meisten Einkommensmillionäre in Deutschland. Gleichzeitig steigt das Armutsrisiko. Laut dem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aus dem Jahr 2024 gehört Hamburg mit einem Armutsrisiko von 19,5 Prozent zu den drei Bundesländern mit den höchsten Armutsquoten; und der höchsten Wohnungslosenquote in Deutschland (1.700 wohnungslose Menschen pro 100.000 gemeldete Personen). Zum Vergleich: der Durchschnitt bei Großstädten liegt bei rund 950 wohnungslosen Menschen) (Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg e.V. 2023). Diese dramatische Steigerung innerhalb eines Jahres um 70 Prozent ist auf die geflüchteten Menschen aus der Ukraine zurückzuführen.

Insgesamt geht es der Bevölkerung in Hamburg gut. Doch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen, die eng mit der sozialen Lage zusammenhängen. In benachteiligten Stadtteilen treten häufiger Krankheiten auf, die Sterblichkeit ist höher und es kommt häufiger zu vorzeitigen Todesfällen vor dem 65. Lebensjahr. Auch psychosoziale Belastungen sind dort stärker ausgeprägt. Die Corona-Pandemie hat diese Ungleichheiten weiter verstärkt, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Die Depressionsprävalenz in der Hansestadt liegt über dem Bundesdurchschnitt, vor allem jedoch in den mittleren und höheren Altersgruppen. (WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK 2024).


Strukturen auf Landesebene schaffen Handlungsrahmen

Um diesen Herausforderungen zu begegnen und unsere Ressourcen als vielfältiger Stadtstaat zu nutzen, orientieren wir uns bei der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) an den bundesweiten Entwicklungen und den daraus entwickelten landesspezifischen Empfehlungen. In Hamburg arbeiten das Koordinierungsgremium zur Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung unter dem Motto „‘hamburg gemeinsam für prävention’“ und die Hamburger Gesundheitsstrategie „Pakt für Prävention“ eng zusammen. Die Geschäftsstelle zur Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung ‘hamburg gemeinsam für prävention’ ist ebenfalls in der HAG angesiedelt.

Gemeinsam setzen sie strategische und inhaltliche Schwerpunkte in folgenden Bereichen:

  • Förderung der psychosozialen Gesundheit der Hamburger Bevölkerung,
  • Stärkung der individuellen und organisationalen Gesundheitskompetenzen,
  • Verbesserung der Gesundheitskommunikation und
  • Förderung der sozialräumorientierten Ausrichtung von Angeboten und Strategien.

Die Gremien erarbeiten Rahmenbedingungen, Förderstrukturen und Umsetzungsempfehlungen für Akteurinnen und Akteure vor Ort.

Den Pakt für Prävention haben bisher über 120 Beteiligte aus den Bereichen Gesundheitsförderung, -versorgung, -wirtschaft und Prävention unterzeichnet. Er unterstützt die Gremien der Landesrahmenvereinbarung fachlich, indem er Handlungsempfehlungen ausspricht.

Im Rahmen des Paktes für Prävention agiert die HAG als Kompetenz- und Transferzentrum zwischen der strategisch-politischen und der operativen Ebene. Im Auftrag von und in enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Sozialbehörde koordinieren wir den jährlich stattfindenden Kongress „Pakt für Prävention“ sowie Austausch- und Netzwerktreffen im Rahmen des Paktes.


Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst

Das Amt für Gesundheit der Sozialbehörde und der bezirkliche Öffentliche Gesundheitsdienst sind Mitglieder im Vorstand der HAG. Diese Mitgliedschaft stärkt die strukturelle Verbindung zu diesen Institutionen. Das Kommunale Gesundheitsförderungsmanagement (KGFM) in den Bezirken unterstützt die Gestaltung der sozialraumorientierten Gesundheitsförderung und die Förderung der psychosozialen Gesundheit in den Quartieren. Beide zählen zu unseren wichtigsten Mitgliedern im Netzwerk.

Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit in der HAG unterstützt das KGFM und die Lokalen Vernetzungsstellen Prävention fachlich. Sie berät die Akteurinnen und Akteure u. a. mit unserem Instrument der Standortanalyse zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und klimasensiblen Gesundheitsförderung im Sozialraum sowie mit Qualifizierungsangeboten zur Stärkung der Netzwerkarbeit.


HAG als Transfer- und Kompetenzzentrum

Die oben genannten strategischen und inhaltlichen Schwerpunkte greifen wir auch auf in unserer Rolle als Trägerin der Fach- und Koordinationsstellen - der Vernetzungsstelle Schulverpflegung und Seniorenernährung, der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit und der Fachstelle Leben mit Demenz. Alle Fachstellen arbeiten direkt mit Fachkräften aus dem Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich, Entscheidungstragenden aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft, Krankenkassen und Betrieben zusammen. Gemeinsam setzen sie sich auf Landesebene für eine qualitative Weiterentwicklung ihrer Themenschwerpunkte ein: Sie stärken die Zusammenarbeit in den Bezirken und befähigen zu neuen Handlungskompetenzen. Beispielsweise arbeitet die neu etablierte Vernetzungsstelle Seniorenernährung zu den Themen Ernährungsarmut und Alterseinsamkeit. Es werden unter anderem Mittagstische und Kochgruppen für alleinlebende ältere Menschen angeboten. Und: Wir streben die Einrichtung einer Vernetzungsstelle Kitaernährung an.

Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) fördert den Ausbau von integrierten kommunalen Strategien. Sie koordiniert und beteiligt sich an Netzwerken zu den Themen Wohnungslosigkeit, Inklusion und Einsamkeit und ist Mitglied im Steuerungskreis des Hamburger Bündnis gegen Einsamkeit.


Psychosoziale Gesundheit nachhaltig fördern – auch über Hamburg hinaus

Psychosoziale Gesundheit zu fördern bedeutet, Lebenswelten zu verändern und Ressourcen zu stärken. Wir betrachten dieses Thema über alle Lebensphasen und -lagen. Mit dem HAG-Elternprogramm „Schatzsuche“ stärken wir die seelische Gesundheit von Eltern, Fachkräften und Kindern in Kitas. Für den herausfordernden Übergang von der Schule in den Beruf bietet das Programm „Landungsbrücke“ erfolgreiche Ansätze. In den Kursen Mental Health First Aid und Mental Health First Aid Youth bilden wir Erwachsene zu Ersthelfenden für psychische Gesundheit aus. Dadurch stärken wir ihr Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und fördern ihre psychische Gesundheit.

Einige Programme rollen wir erfolgreich im Bundesgebiet aus: So haben wir aus dem Hamburger Modellprojekt „Schatzsuche“ in 14 Jahren ein Programm entwickelt, das heute in 13 Bundesländern über regionale Landeskoordinationsstellen umgesetzt und von der HAG koordiniert wird. Aktuell erarbeiten wir ein Konzept für die Übertragbarkeit des Programms „Landungsbrücke“.


Gesundheitskompetenzen stärken

Im Bundesland Hamburg hat die Stärkung der Gesundheitskompetenz auf individueller und organisationaler Ebene einen hohen Stellenwert. Dabei dient uns u. a. der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz als Orientierung. Gemeinsam mit der Hamburger Sozialbehörde haben wir im Jahr 2023 mit dem Projekt „Gesundheit: Wissen.Weitergeben.Wirken“. Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe auf dem Weg zu einer gesundheitskompetenten Einrichtung begleitet. Mit vollem Erfolg! Die Einrichtungen arbeiten auch nach dem Ende der ersten Laufzeit Ende 2024 weiter an den angestoßenen Themen. Und der Bedarf steigt: Für das Folgeprojekt (2025-2027) haben sich doppelt so viele Einrichtungen für eine Prozessbegleitung beworben. Im Rahmen des Projekts haben wir zudem neue Wege der Kommunikation und Vermittlung von Inhalten rund um Gesundheit erfolgreich erprobt: Dazu gehören die Veranstaltungsreihe „Kurz & Knapp – Gesundheitsgespräche am Mittag“, Postkarten-Aktionen, Social-Media-Kampagnen und Blog-Beiträge.

Mit unserer Expertise in diesem Bereich arbeiten wir gemeinsam mit der Sozialbehörde auch in einem europaweiten Verbund: Seit Anfang 2025 entwickeln wir im Projekt „DEAHL Baltic“ (Digital Empowerment for Active Healthy Living in the Baltic Region) mit Partner:innen aus dem Ostsee-Raum u. a. Qualifizierungsmöglichkeiten, um die digitale Gesundheitskompetenz von Fachkräften im Gesundheitswesens zu stärken. In Hamburg steht die Berufsgruppe der Hebammen im Mittelpunkt.


Gesundheitsversorgung innovativ und sozial gerechter gestalten

Gesundheit darf kein Privileg sein. Daher sind wir Teil der Innovationsfondsprojekte „Gesunde Quartiere 2.0. - Kleinräumige Analysen zur bedarfsgerechten Ausgestaltung von Präventionsleistungen in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen“ und „NAVIGATION – Nachhaltig versorgt im gemeindenahen Gesundheitszentrum“. Das Projekt Gesunde Quartiere 2.0 soll Ansatzpunkte identifizieren, die dazu beitragen, dass Präventionsträger und kommunale Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention adressantinnen- und adressatengerechter konzipieren und implementieren. Im Projekt NAVIGATION wird derzeit ein interprofessionelles Modell für Primärversorgungszentren getestet.


Vernetzung ausbauen und im Verbund arbeiten

Gemeinsam lässt sich mehr bewegen. Wir bieten Institutionen, Verbänden, Vereinen und Initiativen themenspezifische Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten auf Landes- und auf Bundesebene. Auf Bundesebene sind wir als HAG Mitglied in der BVPG, im Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und im Aktionsbündnis Seelische Gesundheit. Die Arbeit in diesen bundesweiten Verbünden inspiriert uns und stärkt unsere Arbeit vor Ort. Besonders schätzen wir die Mitgliedschaft in der BVPG: Sie bietet eine lebendige Plattform für fachlichen Austausch, gemeinsames Lernen – und nicht zuletzt die Möglichkeit, den Dialog mit der Bundespolitik aktiv mitzugestalten. Die von der BVPG erarbeiteten Positionierungen wie das Policy Paper 2025 „Herausforderungen und Chancen zur Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung in der 21. Legislaturperiode“ liefern uns wertvolle Impulse für unser Handeln auf Landesebene.


Wenn wir Wünsche frei hätten...

Die Erfüllung unserer Wünsche braucht einen langen Atem: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie stark soziale Ungleichheiten den Umgang mit Krankheit und Krisen prägen. Menschen mit knappen Ressourcen leiden stärker. Wir brauchen bundesweite Strategien, die Armut vorbeugen und Strukturen, die langfristig tragen. Diese sollten sich konsequent an den adressierten Personen orientieren. Nur so lassen sich ungleiche Chancen ausgleichen. 

Zentrale Aufgaben bleiben: Demokratie und Vielfalt stärken, psychosoziale Gesundheit fördern, Wohnungsnot bekämpfen, Stigmatisierung und Barrieren im Gesundheitswesen abbauen und die Folgen des Klimawandels bewältigen. Dies gelingt nur durch interprofessionelles Handeln (Health in All Policies) und Partizipation auf allen Ebenen. Dazu braucht es ein neues gesellschaftliches Bewusstsein, das durch positive Narrative über Gesundheit gefördert wird.

Für das Bundesland Hamburg wünschen wir uns, dass Gesundheitsförderung als Querschnittsthema eine noch stärkere Aufmerksamkeit erhält, ressortübergreifender betrachtet wird sowie langfristigere finanzielle Unterstützung erfährt. So kann Gesundheitsförderung direkt dort ankommen, wo sie hingehört: bei den Menschen vor Ort.

Wir möchen mit unserer Arbeit in der Gesundheitsförderung dazu beitragen, dass wieder mehr Menschen Vertrauen fassen, Teilhabe erleben und ihre eigene Wirksamkeit spüren. Denn: Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist wichtiger denn je!


Petra Hofrichter | Seit 2017 Geschäftsführerin und fachliche Leitung der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG). Studium der Ethnologie, Soziologie und Afrikanistik, Menschenrechte. Von 2001 bis 2017 Fachreferentin für Gesundheitsförderung in der HAG mit dem Schwerpunkt Soziale Lage und Gesundheit. Mitglied des Steuerungskreises des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit.

Alexis Malchin | Seit 2017 Geschäftsführerin und wirtschaftliche Leitung der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG). Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, Abschluss: Diplom-Kauffrau.


Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG)

Logo der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG)
© HAG e.V.
Geschäftsführung: Petra Hofrichter (Fachliche Leitung), Alexis Malchin (Wirtschaftliche Leitung)
Gründung: 1983
Schwerpunktthemen: Gesundheit in der Stadt, Gesund aufwachsen, Gesundheit und Ernährung, Gesundheit und Teilhabe im Alter, Gesundheit im Betrieb, Öffentlichkeitsarbeit
Anzahl Mitarbeitende: 30
Anzahl Mitglieder: 62
Organisationsstruktur: Gemeinnütziger, eingetragener Verein
Finanzierung:Die HAG wird finanziert aus Mitteln der Sozialbehörde, Behörde für Schule und Berufsbildung, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, aus Projektmitteln von Krankenkassen, Pflegekassen, der Deutschen Rentenversicherung-Nord, EU-Förderungen (Interreg), weitere Träger und durch Teilnahmeeinnahmen und Mitgliedsbeiträge. Haushaltsplan 2025: 2,25 Mio. Euro
Sontige/weitere Informationen: Im Jahr 2023 wurde die hag-Kontor gGmbH gegründet, dabei handelt es sich um eine 100% Tochtergesellschaft des HAG e.V. Die hag-kontor gGmbH erweitert das Angebotsportfolio der HAG. Geschäftsführungen sind Petra Hofrichter und Alexis Malchin.


In 13 Bundesländern gibt es Landesvereinigungen bzw. Landeszentralen für Gesundheit(sförderung), die über die BVPG auf Bundesebene vertreten werden. Jährlich finden zwei Kooperationstreffen mit den Landesvereinigungen und der BVPG statt.

Autor/in

Petra Hofrichter und Alexis Malchin