Interview mit Britta Susen
„Der Klimawandel hat vielschichtige Auswirkungen auf die Gesundheit“
Die BVPG-Arbeitsgruppe „Klimawandel und Gesundheit“ hat evidenzbasierte Handlungsempfehlungen verfasst und diese im BVPG-Policy Paper veröffentlicht. Dazu ein Interview mit der BVPG-Vizepräsidentin und Leiterin der BVPG-Arbeitsgruppe Britta Susen, Bundesärztekammer (BÄK).
Frau Susen, warum ist das Thema „Klimawandel und Gesundheit“ von hoher Relevanz zur Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland?
Seit vielen Jahren sehen wir, dass sich das Klima weltweit ändert. Mittlerweile sind die Belastungen bzw. Bedrohungen, die von dem menschengemachten Klimawandel ausgehen, auch in den gemäßigten Klimazonen real erfahrbar. In der öffentlichen Debatte zum Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit stehen in Deutschland die gesundheitlichen Herausforderungen durch Hitze besonders im Fokus. Es geht aber nicht nur um Hitze. Der Klimawandel beeinträchtigt auf vielen Wegen die menschliche Gesundheit, z. B. durch Extremwetterereignisse wie Dürren oder Unwetter oder auch durch Erkrankungen, die im Zuge des Klimawandels verstärkt durch Vektoren, Wasser und Lebensmittel übertragen werden können. Neben diesen körperlichen hat der Klimawandel auch psychische Folgen. Zukunftsängste und Gefühle der Hoffnungslosigkeit mit Blick auf die fortschreitende Erderwärmung und Zerstörung der Lebensgrundlagen beschäftigen viele Menschen. In einigen Fällen können sie zu psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen beitragen. Wer Klimaextreme erlebt hat, zu denen beispielsweise Starkregen und Überschwemmungen zählen, kann außerdem eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Das Robert-Koch-Institut hat 2023 den Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit veröffentlicht, in dem umfassend die aktuell in Deutschland bestehende Evidenz zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels dargestellt wird.
Die Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung im Hinblick auf diese Anforderungen ist daher dringend erforderlich, um dem Schutz und der Förderung der psychischen und physischen Gesundheit der in Deutschland lebenden Bevölkerung bestmöglich gerecht zu werden.
Wir wissen z. B., dass eine nachhaltigere Lebensweise enorme gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Die Reduktion des Fleischkonsums hat ebenso wie die Steigerung des aktiven Transports gleichzeitig positive Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit und auf das Klima. Mit ein und derselben Handlung erreicht man somit zwei Ziele. Hier gilt es, den Zusammenhang zwischen dem eigenen Bewegungs- und Ernährungsverhalten und dem Klimawandel noch stärker mit geeigneten Maßnahmen im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.
Welches Ziel verfolgt die BVPG mit dem Policy Paper 2025, insbesondere zum Themenschwerpunkt „Klimawandel und Gesundheit“?
Die BVPG setzt sich seit über 70 Jahren für Prävention und Gesundheitsförderung auf Bundesebene ein und positioniert sich regelmäßig zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Handlungsfeld. Im Rahmen des aktuellen BVPG-Policy Papers setzt sie sich auch mit der Frage auseinander, wie Prävention und Gesundheitsförderung in Zeiten des Klimawandels weiterentwickelt werden sollten und gibt den politischen Akteuren Handlungsempfehlungen für die 21. Legislaturperiode an die Hand.
Die BVPG-Arbeitsgruppe „Klimawandel und Gesundheit“ fordert eine umfassende „Health for All Policies“-Strategie, die den interdisziplinären Dialog fördert und Umwelt- und Gesundheitsaspekte in allen politischen Entscheidungsprozessen mit verbindlichen Folgenabschätzungen berücksichtigt. Neben der Reduktion klimaschädlicher Emissionen sehen wir auch die Notwendigkeit, in Forschung und Monitoring zu investieren, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit besser zu verstehen. Schutz- und Anpassungsmaßnahmen sollten in partizipativen Prozessen entwickelt werden und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen sollten gezielt geschützt werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Kommunikation und Bildung: Klimaschutzmaßnahmen, die zugleich gesundheitsfördernd sind – sogenannte Co-Benefits – sollten hervorgehoben und verstärkt vermittelt werden. Denn in Kombination mit Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten trägt dies langfristig zur Stärkung der Resilienz der Bevölkerung bei.
Darüber hinaus wird im Policy Paper betont, dass eine sozial gerechte Verteilung der mit der Klimawende verbundenen Lasten sowie der Abbau bestehender sozialer Ungleichheiten für unsere Gesellschaft und eine gelingende Transformation unverzichtbar sind und daher ebenfalls auf die politische Agenda gehören.
Welche Mitgliedsorganisationen der BVPG waren in der Arbeitsgruppe zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ unter Ihrer Leitung beteiligt? Welche externen Expertinnen und/oder Experten waren involviert?
Der BVPG gehören derzeit 132 Mitgliedsorganisationen mit einem Arbeitsschwerpunkt im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung an. Neben verschiedenen Bundesverbänden des Gesundheitswesens haben sich auch Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Bewegung und Sport, Selbsthilfe, Weiterbildung sowie der kommunalen Prävention und Gesundheitsförderung mit ihren fachlichen Schwerpunkten und Expertisen in die BVPG-Arbeitsgruppe „Klimawandel und Gesundheit“ eingebracht.
Zudem ist es uns gelungen, Dr. Karin Geffert als Expertin für unsere Arbeitsgruppe zu gewinnen. Die Gesundheitswissenschaftlerin und Ärztin forscht am Lehrstuhl für Public Health and Health Services Research am Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Pettenkofer School of Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Öffentlichen Gesundheitssystemen. Mit ihrer Expertise und Arbeitserfahrung im kommunalen, nationalen und internationalen Gesundheitswesen leistete sie einen wesentlichen Beitrag zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe. Gemeinsam mit Dorothea Baltruks, Leiterin des Centre for Planetary Health Policy (CPHP), stand sie für den Blog-Beitrag zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ zur Verfügung. Wir danken den beteiligten Mitgliedsorganisationen, Dr. Karin Geffert und Dorothea Baltruks für ihr Engagement. (Hinweis: Der Beitrag erscheint in Kürze)
Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG).
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Britta Susen | Seit 2022 Leiterin des Dezernates Public Health der Bundesärztekammer (BÄK); von 2017 bis 2022 Leiterin des Dezernates Versorgung und Bevölkerungsmedizin; zuvor Referentin bei der Ärztekammer Nordrhein im Ressort für Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik; wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen sowie der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Studium der Wirtschaftswissenschaften und Soziologie; Masterstudium Medizinrecht.