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Beitrag von Stefan Pospiech

„Prävention und Gesundheitsförderung sind Basis einer gerechten Gesellschaft“

Wir.Wirken.Gemeinsam. In Berlin und Brandenburg: Stefan Pospiech, Geschäftsführer von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. (GesBB), stellt die Arbeitsgemeinschaft sowie ihre Projekte zu Prävention und Gesundheitsförderung in den beiden Bundesländern vor und erläutert, wie wichtig es ist, die gesundheitliche Chancengleichheit zu stärken.

Porträt Stefan Pospiech, Geschäftsführer Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
© Gesundheit Berlin-Brandenburg/Foto: Christian Himmelspach

 

Gesundheit Berlin-Brandenburg (GesBB) koordiniert als Landesvereinigung für Gesundheitsförderung (LVG) vielfältige Programme, Projekte und Netzwerke rund um die soziallagenbezogene Prävention und Gesundheitsförderung. Derzeit sind insgesamt 27 Projekte unter dem Dach des Vereins organisiert. Einige davon - allen voran der Kongress Armut und Gesundheit und die Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit - haben eine bundesweite Ausrichtung. Zentral für uns als gemeinnützige Organisation ist, mit unseren Maßnahmen die gesundheitliche Chancengleichheit zu stärken und die sozialen Determinanten der Gesundheit zu adressieren. Wer sich genauer informieren möchte, dem sei der Jahresbericht von Gesundheit Berlin-Brandenburg empfohlen.


Aktuelle Entwicklungen in den Bundesländern Berlin und Brandenburg

In Berlin und Brandenburg stehen wir vor sehr unterschiedlichen demografischen und strukturellen Herausforderungen. Während im Stadtstaat Berlin mit seinen mehr als 3,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner - nach München die am dichtesten besiedelte deutsche Großstadt - die Gruppe der 30- bis unter 40-Jährigen die größte Alterskohorte darstellt, bilden im Flächenland Brandenburg mit gut 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, die 55- bis unter 65-Jährigen die größte Altersgruppe . Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. In Hinblick auf die gesundheitlichen Problemlagen richtet der Verein einen besonderen Schwerpunkt auf das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Dies hat angesichts der gesundheitlichen Folgen von Armut valide Gründe: 2022 lag die Armutsquote in Brandenburg bei 14,2 Prozent. Besonders betroffen sind alleinerziehende Eltern und kinderreiche Familien. In Berlin sind 21,8 Prozent der unter 18-Jährigen armutsgefährdet.

Wichtige Orientierungspunkte unserer Aktivitäten sind der Health in All Policies-Ansatz sowie die Gesundheitszieleprozesse in den Bundesländern. Einen wichtigen qualitativen Rahmen bilden die Good Practice-Kriterien, die 2003 im Rahmen des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit erarbeitet wurden. Hier werden 12 Kriterien formuliert, die dazu beitragen, Maßnahmen der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung erfolgreich umzusetzen.


Bundesland Berlin: Gesundheitsziele als gemeinsamer Handlungsrahmen

Die strategische Zusammenarbeit der Akteure, die im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für Gesundheit zusammenwirken sollen, wird in Berlin durch die Landesgesundheitskonferenz (LGK) organisiert. Diese ist im Gesundheitsdienstgesetz des Landes verankert. Die Berliner Gesundheitsziele bilden die einzelnen Lebensphasen mit ihren Übergängen ab. Es ist vorgesehen, dass die Gesundheitsziele mit ihrem Lebensphasenansatz den Rahmen für den Auf- und Ausbau von bezirklichen Präventionsketten bilden. An diesen integrierten Strategien orientieren sich - im Idealfall - in den Bezirken bedarfsgerechte und ressortübergreifende Programme, gesundheitsfördernde (Regel-)Angebote und lebensweltorientierte Maßnahmen. Als Landesvereinigung unterstützen wir diesen Prozess auf unterschiedlichen Ebenen:

  • Als Geschäftsstelle der LGK begleiten wir die Entwicklung von Gesundheitszielen und die ressortübergreifende Zusammenarbeit.

  • Als Beitrag zur Entwicklung und Qualitätssicherung bezirklicher und stadtteilbezogener Strategien unterstützt die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Berlin die kommunalen Akteure, insbesondere den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Jugendämter, bei der Weiterentwicklung von Präventionsketten.

  • Im Rahmen der Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung nach § 20f SGB V koordinieren wir bezirksübergreifende Förderprogramme in verschiedenen Themenfeldern. Diese Rolle der LVG zeigt sich am Beispiel des Förderprogramms „Gesund in Berlin - Stadtteile im Blick“ (kurz GiB), das wir in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und den für Gesundheit sowie Stadtentwicklung zuständigen Senatsverwaltungen unter Beteiligung weiterer Ressorts aufgebaut haben. Mit einem Fördervolumen von ca. 500.000 € pro Jahr können in den Quartieren mit besonderem Entwicklungsbedarf gezielt gesundheitsfördernde Maßnahmen nachhaltig in den Lebenswelten verankert werden. Seit 2021 konnten durch „Gesund in Berlin“ mehr als 50 Stadtteileinrichtungen in ihren gesundheitsfördernden Aktivitäten gestärkt werden. Aufgrund der erfolgreichen Evaluation der ersten Phase wurde das Förderprogramm für den Zeitraum 2025 - 2028 weiterentwickelt.

Aktivitäten im Bundesland Brandenburg

In Brandenburg sind wir als Landesvereinigung GesBB in Kooperation mit anderen Organisationen und Verbänden wie der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Familienverbände, der LAG Mehrgenerationenhäuser und Familienzentren, den Hochschulen, den medizinischen Versorgungseinrichtungen sowie den Wohlfahrtsverbänden oder den Jobcentern für die fachliche Begleitung zentraler Landesprogramme und die Koordination der Zusammenarbeit der Akteure zuständig. Über die Fachstelle Gesundheitsziele und die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit unterstützt die LVG die Koordination und Vernetzung insbesondere der Gesundheits-, Jugend- und Sozialämter, um die auf kommunaler Ebene vorhandenen Unterstützungsangebote öffentlicher und privater Träger zusammenzuführen und über Altersgruppen und Lebensphasen hinweg aufeinander abzustimmen. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:


Gesundheitsziel: Gesund aufwachsen

Das Netzwerk Gesunde Kinder (NGK) dessen Koordinierungsstelle in Trägerschaft von Gesundheit Berlin-Brandenburg angesiedelt ist, hat das Ziel, Familien zu stärken und Kinder von 0-3 Jahren in ihrer Entwicklung zu fördern. 3.741 Familien werden aktuell im Netzwerk betreut. Derzeit sind 950 geschulte, ehrenamtliche Familienpatenschaften aktiv. Bereits in der Schwangerschaft erhalten werdende Eltern im Netzwerk das speziell für sie entwickelte Familienhandbuch (PDF). Kostenfrei und für alle zugänglich ist der Infopool, der mit kurzen Beiträgen und Videos zu den wichtigsten Themen rund um das gesunde Aufwachsen informiert. Das NGK wirkt: Das zeigen die Daten der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) der letzten fünf Jahrgänge, die 2023 mit Blick auf das NGK ausgewertet wurden. Sichtbar wurde, dass das Netzwerk Familien mit niedrigem sozialem Status und Alleinerziehende sehr gut erreicht. Auch ist der Anteil der Kinder, die alle empfohlenen Impfungen erhalten haben und länger gestillt wurden, höher im Vergleich zu Kindern außerhalb des Netzwerkes.


Sozialräumliche Pflegestrukturen

Ein wichtiges Handlungsfeld ist die Unterstützung von Landkreisen und kreisfreien Städten, Initiativen und Menschen vor Ort bei der Entwicklung und Umsetzung alternsgerechter Lebensräume. Dies geschieht durch die Fachstelle Altern und Pflege im Quartier (FAPIQ), die wir seit 2015 in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Brandenburg umsetzen. Seit dem 1. April.2021 ist sie die Begleitstruktur für die kommunale Förderrichtlinie „Pflege vor Ort“ des Pflegepaktes. Über diese Förderrichtlinie können alle 191 kommunalen Gebietskörperschaften Fördermittel erhalten, um Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege, aber auch im Bereich der Regionalplanung und der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XI zu realisieren. Diese reichen von Mobilitätsangeboten, Mittagstischen, Bildungsveranstaltungen bis hin zu pflegeunterstützenden Angeboten und Beratung. Es ist gelungen, über 60 regionale Pflegekoordinator*innen in den Kommunen zu etablieren, die diese Angebote initiieren oder den Zugang verbessern.


Ausblick

Betrachtet man die Entwicklungen im Handlungsfeld der soziallagenbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung in den letzten zehn Jahren, so lassen sich zwei Lesarten nebeneinander stellen:

  • Zum einen lässt sich feststellen, dass die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit zunehmend Eingang in verschiedene politische Programmatiken und gesetzliche Regelungen gefunden hat. Dies zeigt sich in den Sozialgesetzbüchern insbesondere durch das Präventionsgesetz von 2015 oder die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) durch den Pakt für den ÖGD. Damit verbunden sind positive Effekte auf Landes- und kommunaler Ebene. Es erweitert die Möglichkeiten der Akteure, Angebote in belasteten Sozialräumen und Lebenswelten zu verankern. Dies gilt es weiter auszubauen und verbindlich zu regeln!

  • Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Zusammenarbeit über verschiedene Ressorts und Zuständigkeiten hinweg eine Herausforderung bleibt. Programme existieren, sind aber nicht ausreichend finanziert oder mit Fehlanreizen versehen. Aufgrund ihres Charakters als „freiwillige Leistungen“ stehen sie angesichts prekärer öffentlicher Haushalte häufig unter dem Damoklesschwert der Kürzung oder Streichung. Angesichts der Komplexität der Einflussfaktoren auf die Gesundheit birgt dies die Gefahr, dass das Thema zwar formal aufgegriffen wird, die initiierten Maßnahmen aber keinen wirksamen Beitrag zur Verminderung gesundheitlicher Ungleichheit leisten.

Hier kommt der BVPG eine wichtige Rolle zu, politisch und fachlich zu verdeutlichen, dass Prävention und Gesundheitsförderung ein elementarer Baustein für eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge und eine Gesellschaft der gerechten Chancen sind.


Stefan Pospiech | Seit 2012 Geschäftsführer von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. (GesBB), Dipl.-Politologe, examinierter Kranken- und Gesundheitspfleger; seit 2004 Mitarbeiter bei Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., bis 2012 als Fachreferent für Gesundheitspolitik und Gesundheit im Alter sowie Leiter des Kongresses Armut und Gesundheit.


Steckbrief von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. (GesBB)

Logo Logo von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
© GesBB e.V.
Geschäftsführung: Stefan Pospiech
Gründung: 1993 als Gesundheit Berlin e.V., 2009 Fusion mit Brandenburg
Schwerpunktthemen: Trägerschaft von Landesprogrammen und Projekten in Lebenswelten (Bundesländer Berlin und Brandenburg), Fortbildung von Fachkräften und Koordinierung von Netzwerken der Gesundheitsförderung
Anzahl Mitarbeitende: 100
Anzahl Mitglieder: ca. 140 (ordentliche und außerordentliche)
Finanzierung: Haushaltsplan 7.361.000 EUR, Förderungen: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Bundesländer Berlin und Brandenburg, gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Auridis Stiftung
Weiteres: Website: www.gesundheitbb.de, LinkedIn: www.linkedin.com/company/gesbb, Kongress Armut und Gesundheit am 17. und 18. März 2025


In 13 Bundesländern gibt es Landesvereinigungen bzw. Landeszentralen für Gesundheit(sförderung), die über die BVPG auf Bundesebene vertreten werden. Jährlich finden zwei Kooperationstreffen mit den Landesvereinigungen und der BVPG statt.