Beitrag von Stephan Koesling
„Innovative Gesundheitsförderung braucht verbindliche Strukturen“
Stephan Koesling, Geschäftsführer der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V., informiert über die soziodemographische und gesundheitliche Lage im Bundesland Sachsen, die aktuellen Ziele und Themenschwerpunkte sowie die erfolgreichen Projekte der SLfG.
Sachsen ist, wie andere Flächenländer in der Bundesrepublik auch, von demografischen Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen geprägt. Neben den drei kreisfreien Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz mit ihren Ballungsräumen gibt es zehn stärker ländlich geprägte Landkreise. Insgesamt wird die Bevölkerung nach den vorliegenden Prognosen von derzeit 4,1 Mio. Einwohner auf voraussichtlich 3,8 Mio. Einwohner im Jahr 2040 (Bund-Länder Demografieportal) schrumpfen. Diese Entwicklung wird vor allem die Landkreise betreffen.
Alle dreizehn Gebietskörperschaften stehen damit in unterschiedlichem Maße vor sozialen Herausforderungen der Daseinsvorsorge. Sachsen gehört zu den durchschnittlich ältesten Bundesländern mit dem zweithöchsten Gesamtmorbiditätsindex von 1,28 (Margerl; Osterkamp, 2022). Aus dieser demographischen und sozialräumlichen Situation ergeben sich auch für die Gesundheitsförderung und Prävention Anforderungen, den Strukturerhalt, die Zugänge und die Steuerung von Angeboten im Blick zu behalten.
Was macht die Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung?
Entsprechend den beschriebenen Rahmenbedingungen ist es strategisch angezeigt, die strukturelle Ausrichtung auf den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten als zentrale Handlungsfelder zu sehen.
So ist das Aufgabenspektrum der SLfG zum einen auf die fachliche Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und weiterer öffentlicher Strukturen wie Jugend-, Sozial- und Umweltämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten ausgerichtet. Diese zeigt sich in regelmäßigen und bedarfsorientierten Vernetzungs- und Qualifizierungsangeboten, vorrangig für die Gesundheitsämter und die vorhandenen regionalen Arbeitsgemeinschaften für Gesundheitsförderung.
Themen waren hier in den letzten zwei Jahren u. a.: „Digitale Methoden in der Gesundheitsförderung“ und „Strukturentwicklung im Quartier“. Zum anderen erfolgt eine fachliche Unterstützung durch die Einbindung und Qualifizierung von Präventionsfachkräften der Gesundheitsämter in vorhandenen Stakeholder-Konzepten und Programmen der SLfG. So im Rahmen der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit, im „FREUNDE-Programm“, im Programm „Eigenständig werden“ und in weiteren Suchtpräventionsprogrammen. Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Sachsen unterstützt die Akteure in den Landkreisen z. B. beim Aufbau von integrierten kommunalen Strategien.
Im zweiten Schwerpunkt leistet die SLfG durch die Trägerschaft verschiedener landesweiter Programme ihren Beitrag zur Integration soziallagensensibler Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten. Unter Nutzung der fachlich gut aufgestellten Kita- Landschaft hat die SLfG ihren Fokus auf das Zusammenwirken von Konzepten der frühkindlichen Bildung und der Gesundheitsförderung gelegt.
Das „Landesprogramm alltagsintegrierte sprachliche Bildung in der Kindertagesbetreuung Sachsen" steht potenziell allen ca. 4.500 Einrichtungen in Sachsen zur Verfügung, wenn die Landkreise und kreisfreien Städte die Förderung beantragen. Im Programm KINDER STÄRKEN 2.0 sind 270 Einrichtungen in Sachsen eingebunden, die einen hohen Anteil von Kindern mit Lebenserschwernissen pädagogisch begleiten. Weitere Programme und Projekte der SLfG im Setting Kita sind das Programm „Schatzsuche“, das „FREUNDE-Programm" und die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung.
Im Bereich Schule und Jugendfreizeiteinrichtungen koordiniert die SLfG gemeinsam mit der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. (SLS) die Fachstelle Suchtprävention für das Bundesland Sachsen. Speziell für den ländlichen Raum wurde die mobile Ausstellung „GLÜCK SUCHT DICH“ in einem Bus konzipiert, die seit 2019 sehr gut von sächsischen Schulen in Anspruch genommen wird.
In der Zusammenarbeit mit den Beteiligten des Präventionsgesetzes und dem Betrieb der Geschäftsstelle P. SACHSEN der Landesrahmenvereinbarung (LRV) bei der SLfG werden weitere koordinierende und inhaltliche Angebote in den Lebenswelten umgesetzt. Es bestehen Arbeitsgruppen und inhaltliche Angebote für die Bereiche Kita, Schule, Betrieb, Kommune und stationäre Pflegeeinrichtungen.
Was war erfolgreich im Bundesland Sachsen?
Zu den erfolgreichen Vorhaben der SLfG zählt das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Programm „KINDER STÄRKEN 2.0 - Vorhaben für Kinder mit besonderen Lern- und Lebenserschwernissen“. Hier ist es durch die Berechnung eines Sozialindex für die Kita gut gelungen, vor allem die Einrichtungen mit Kindern in das Programm aufzunehmen, die einen hohen Bedarf an sozialen und gesundheitlichen Bedarfen aufweisen. Durch die Förderung einer Personalstelle mit 30 Stunden, einer sogenannten zusätzlichen Fachkraft, ist es in den 270 Programmeinrichtungen möglich, den Kindern und Familien eine bedarfsgerechte Unterstützung in den Einrichtungen anzubieten. Ziel der Unterstützung ist es, gesundes Aufwachsen, Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe zu fördern.
Die zusätzlichen Fachkräfte werden durch eine Koordinierungs- und Beratungsstelle (KBS) in Kooperation von SLfG und dem Zentrum für Forschung, Weiterbildung und Beratung (ZFWB) an der EHS Dresden fachlich begleitet und unterstützt. Darüber hinaus wird das gesamte Programm wissenschaftlich begleitet. „KINDER STÄRKEN“ wird seit 2016 in Sachsen umgesetzt und von der Praxis und in Fachkreisen als sehr wirksam für die Bewältigung der Aufgaben wahrgenommen. Mit dem Sächsischen Kinder-Garten-Wettbewerb hat die SLfG seit 16 Jahren ca. 240 Kindertageseinrichtungen auf dem Weg zu einer naturnahen Gestaltung des Außenraums begleitet. Was anfangs noch zurückhaltend aufgenommen wurde, ist inzwischen breit akzeptierte pädagogische Praxis und spätestens mit den Auswirkungen des Klimawandels sind die Themen in die „Bildung für nachhaltige Entwicklung-Strategie“ aufgenommen worden und werden von den Kommunen stark nachgefragt.
Mit der mobilen Bus-Ausstellung „GLÜCK SUCHT DICH“ wurde ein Konzept zu den Themen Glück und Suchtprävention entwickelt, was hohen Zuspruch in der Praxis erfährt. Es wird sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch pädagogischen Fachkräften und Fachkräften der Suchtprävention sehr positiv aufgenommen. Die Vor- und Nachbereitung der mobilen Ausstellung erfolgt vor Ort durch die regionalen Fachkräfte, so dass eine kontinuierliche Nachbereitung der Themen gewährleistet ist. Mit der Ergänzung „GLÜCK SUCHT DICH. DIE BOX“ steht auch eine barrierefreie Tablet-Version für die inklusive pädagogische Arbeit zur Verfügung.
Welche Wünsche und Ziele hat die SLfG für die Zukunft?
Wir wünschen uns vor allem eine Verstetigung der gemeinsamen pädagogischen und gesundheitsfördernden Anliegen durch eine verbindliche Struktur. Denkbar wäre dies z. B. in einem Zentrum für Frühpädagogik und Gesundheitsförderung, um die entwickelten Konzepte qualitätsgesichert weiterzuentwickeln und für die weitere Praxis der Kindertageseinrichtungen nutzbar zu machen.
Darüber hinaus stellen wir uns vor, die im frühkindlichen Bereich sehr gut funktionierenden Konzepte der Gesundheitsförderung für den schulischen Bereich zu adaptieren und in den pädagogischen Alltag zu integrieren. Die aktuellen Daten weisen auf die gestiegenen Belastungen der Schülerinnen und Schüler vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit hin. Diesem Thema mehr Stellenwert im schulischen Alltag zu geben, ist eines der Ziele und Schwerpunktthema der SLfG ab 2025. Mit den vorliegenden Ansätzen zur Lebenskompetenzförderung und verschiedenen Programmen wie „MindMatters“, „Eigenständig werden“ und der Vernetzungsstelle Schulverpflegung sind die Akteure der Gesundheitsförderung in der Lage, einen verstärkten Beitrag in der Lebenswelt Schule zu leisten.
Für die Mitwirkung in der BVPG wünschen wir uns, dass der Weg der gesundheitspolitischen Anwaltschaft, wie beispielsweise mit dem BVPG-Policy Paper 2025, für die Themen der Gesundheitsförderung und Prävention fortgeführt wird und die Möglichkeiten des Bundes im Blickpunkt des politischen Handelns bleiben, im föderalen System Unterstützung für die Gesundheitsförderung in Ländern und Kommunen vorzuhalten. Gemeinsame Aufgabe bleibt es auch, sich weiterhin für die Novellierung des Präventionsgesetzes einzusetzen, damit Prävention und Gesundheitsförderung einen angemessenen Platz im System finden, verbindlicher, verstetigt und verhältnisorientiert.
Stephan Koesling | Seit 2001 Geschäftsführer der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V. (SLfG), bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS), Mitglied im Steuerungskreis des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit, Mitglied im Beirat Gesunde Städte Dresden.
Gründung: 1990
Schwerpunktthemen: Trägerschaft von Landesprogrammen und Projekten in Lebenswelten (Bundesland Sachsen), Fortbildung von Fachkräften und Koordinierung von Netzwerken der Gesundheitsförderung
Anzahl Mitarbeitende: 45
Anzahl Mitglieder: 57
Finanzierung: Haushaltsplan 4.860.000 EUR, Förderungen: Europäischer Sozialfonds (ESF), Bund, Bundesland Sachsen, gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), Auridis Stiftung
Weiteres: Die Geschäftsstelle der Landesrahmenvereinbarung Sachsen (P. SACHSEN) ist an die SLfG angebunden.
In 13 Bundesländern gibt es Landesvereinigungen bzw. Landeszentralen für Gesundheit(sförderung), die über die BVPG auf Bundesebene vertreten werden. Jährlich finden zwei Kooperationstreffen mit den Landesvereinigungen und der BVPG statt.