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BVPG-Vorständin Dr. Andrea Lambeck

„Ernährung ist von zentraler Bedeutung für Gesundheit und Lebensqualität“

Dr. Andrea Lambeck, Geschäftsführerin des BerufsVerbandes Oecotrophologie e.V. (VDOE), wirbt in ihrem Blog-Beitrag zum BVPG-Jubiläum dafür, der gesunden Ernährung einen größeren Stellenwert einzuräumen. Ernährung ist von zentraler Bedeutung für Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung in Deutschand, sagt die BVPG-Vorständin.

Porträt Dr. Andrea Lambeck
© Wiebke Kottenkamp

 

Bereits seit 1987 ist der BerufsVerband Oecotrophologie e.V. (VDOE) – damals noch Verband der Diplom-Oecotrophologen e.V. – Mitglied der BVPG, die zur damaligen Zeit noch Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung hieß. Herzlichen Glückwunsch, liebe BVPG, zum 70-jährigen Jubiläum und Danke für die gute Zusammenarbeit im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention!

Diese Zusammenarbeit ist heute vielleicht wichtiger denn je, da der Wert von Gesundheitsförderung und Prävention noch immer nicht ausreichend gesehen wird und wir auch weiter für Strukturen kämpfen müssen, die es möglich machen, das ganze Potenzial zu nutzen.


Die Oecotrophologie als Partnerin und als Handlungsfeld in Gesundheitsförderung und Prävention

Als die BVPG 1954 gegründet wurde, gab es weder den Studiengang Oecotrophologie, noch den BerufsVerband Oecotrophologie. Ende der 1960er Jahre verließen erste Diplom-Oecotrophologinnen und Oecotrophologen die Hochschulen. Sie waren Dank der interdisziplinären Ausrichtung prädestiniert, im Bereich der Förderung der öffentlichen Gesundheit tätig zu werden. Ihre Kompetenz ist seit jeher neben der Ernährungsforschung die Ernährungsinformation, -aufklärung, -bildung sowie -beratung und -therapie. Die Berufsfelder galt es zu erschließen und zu etablieren – in einer Zeit, in der das politische Interesse am Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit erst ganz langsam aufkam: Der 1. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erschien 1969. Zahlreiche Oecotrophologinnen und Oecotrophologen haben sich seither dafür eingesetzt, die Kerngedanken der Gesundheitsförderung zu verbreiten und die Kenntnisse der modernen Ernährungswissenschaft kombiniert mit sozialwissenschaftlichem Repertoire im Sinne der Prävention durch Ernährung einzusetzen. Es steht längst außer Zweifel, dass Ernährung einen wesentlichen Anteil an einem gesundheitsfördernden Lebensstil hat.


Wechselvolle Entwicklung – und noch immer fehlende Strukturen

Die wechselvolle Geschichte von Gesundheitsförderung und Prävention hat sich immer auch auf das Handlungsfeld Ernährung ausgewirkt. Wurden in den 1990er Jahren die Strukturen für krankenkassenfinanzierte Ernährungsberatung rigoros abgeschafft, folgte wenige Jahre später der „Nationale Aktionsplan IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“. Initiiert und finanziert von den Bundesministeriumen für Gesundheit (BMG) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sollte damit das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Deutschland nachhaltig verbessert werden. Gefördert wurden unzählige Projekte, jedoch konnten dauerhafte Strukturen nicht etabliert werden.

Seit fast 10 Jahren soll das Präventionsgesetz die Rahmenbedingungen für gesundheitsförderliche Maßnahmen verbessern, doch auch die hiermit geschaffenen Strukturen sind nicht sicher. Das hat das jüngst aus dem BMG vorgeschlagene Gesundes-Herz-Gesetz gezeigt, welches diese Strukturen zerstören würde. Zwar steht auf der ersten Seite des Gesetzentwurfs für das GHG, dass „(...) bis zu 70 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch modifizierbare Lebensstilfaktoren verursacht werden, insbesondere durch ungesunde Ernährung (...)“ und dass „der Verminderung dieser Risikofaktoren und damit zusammenhängender Risikoerkrankungen wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck durch Unterstützung eines gesunden Lebensstils daher eine Schlüsselrolle zu(kommt)“, aber das Thema Ernährung bzw. Modifikation des Lebensstilfaktors Ernährung kommt bei den Lösungsvorschlägen nicht vor.

Ganz im Gegenteil – es muss davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Krankenkassen etablierte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere zur Verbesserung des Ernährungsverhaltens im Zusammenhang mit der Herzgesundheit nicht mehr ausreichend oder überhaupt nicht weiter anbieten werden.

Dies ist besonders verwunderlich, da viele der vorgeschlagenen erweiterten Leistungen prädestiniert sind, den mehrfach hervorgehobenen „lebensstilbezogenen Risikofaktor ungesunde Ernährung“ durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen.

Das aktuelle Beispiel zeigt besonders anschaulich, wie essentiell die Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention ist.


Ernährungs- oder Gesundheitspolitik? Zusammenarbeit ist gefragt!

Erschwerend hinzu kommt, dass es für viele bedeutsame Themenfelder der Gesundheitsförderung und Prävention fehlende oder geteilte Zuständigkeiten in den Ressorts der Bundesregierung gibt. Das Thema Ernährung ist beispielsweise im BMELverankert, welches sich auch für den für Gesundheitsförderung und Prävention relevanten Part der Ernährung zuständig sieht. Andererseits zeichnet das BMG verantwortlich für die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Gesundheitsförderung und Prävention.

Unser Appell an die künftige Ernährungs- und Gesundheitspolitik – ganz im Sinne des Health in All Policies-Ansatzes:

Es ist unumstritten, dass unausgewogene Ernährungsmuster zu erheblichen gesundheitlichen Problemen und einer enormen Belastung des Gesundheitssystems führen. Eine gesunde Ernährung, für alle Menschen gut erreichbar, verfügbar und bezahlbar, ist von zentraler Bedeutung für Gesundheit und Lebensqualität und somit ein Schlüsselthema in Politik und Gesellschaft.

Ernährung ist Teil der Alltagskultur und der effektivste Hebel, der uns zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit und der Nachhaltigkeit auf unserem Planeten zur Verfügung steht. Dies erfordert auch Maßnahmen zur Unterstützung einer nachhaltigen Veränderung des Ernährungsverhaltens und zur Schaffung einer dafür förderlichen fairen Ernährungsumgebung.

Drängende ernährungs(mit)bedingte Gesundheitsprobleme erfordern bevölkerungsbezogene Ansätze zur Bewältigung. Präventionsmaßnahmen müssen in allen Lebensbereichen Eingang finden und für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich sein. Bildung ist der Schlüssel! Nur wer versteht und erlebt, wie Konsum, Produktion und Umwelteffekte zusammenhängen, macht sich auf den Weg, um die eigene Ernährung ernsthaft anzupassen und sie gesund und nachhaltig zu gestalten. Alle Lebenswelten müssen zu Räumen für faire Ernährungsumgebungen und eine nachhaltigere Esskultur werden.


Dr. Andrea Lambeck | Seit 2018 Geschäftsführerin des BerufsVerbandes Oecotrophologie e.V. (VDOE); zuvor Geschäftsführerin der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb); Mitglied der Geschäftsführung Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH (CMA); Pressesprecherin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE); Diplom-Oecotrophologin.