Cookie löschen

BVPG-Vorstand Dr. Mischa Kläber

„Bewegungsförderung ist in aller Munde, nun muss es in die Umsetzung gehen!“

Das Themenfeld „Bewegung, Sport und Gesundheit“ gehört zu den Schwerpunkten der BVPG 2024-2026. Vorstandsmitglied Dr. Mischa Kläber, Ressortleiter für Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund e.V. (DOSB), berichtet in seinem Blogbeitrag über die Initiativen der Bundesregierung und die Gremienarbeit der BVPG.

Porträt Dr. Mischa Kläber
© DOSB e.V.

 

Im Gründungsjahr der BVPG 1954 erlebte Deutschland mit dem Gewinn der Fußball-WM einen sportlichen Triumph und die Bedeutung des Sports wuchs. Dass Bewegung und Sport gesund sind, war damals wie heute bekannt. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach präzisierte die Wirkkraft von Bewegung und Sport beim ersten Bewegungsgipfel am 13. Dezember 2022 in Berlin wie folgt: „Sport ist das beste Medikament, das wir je erfunden haben“.

Studien zeigen immer wieder, dass sich die Deutschen viel zu wenig bewegen. Auffällig ist, dass wir auf der einen Seite eine hohe Evidenz für die Wirksamkeit von Bewegung und Sport auf die Gesundheit (samt Risikoreduzierung für nicht übertragbare Krankheiten) haben, auf der anderen Seite jedoch in weiten Teilen eine faktische Nicht-Nutzung dieses gesicherten Wissens verbuchen müssen.

Der erste Bewegungsgipfel der Bundesregierung im Dezember 2022 stimmte die Community der Sport- und Bewegungsförderung hoffnungsvoll: neun Bundesressorts sowie Vertreterinnen seitens der Länder (Sport-, Gesundheits- und Kultusministerkonferenz), die kommunalen Spitzenverbände, Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sowie die Deutsche Sportjugend (dsj) versammelten sich unter dem Motto „Bewegung und Sport für Alle“, um eine intersektorale und Ebenen-übergreifende Zusammenarbeit zu etablieren. In der gemeinsamen Gipfelerklärung verständigten sich die Unterzeichnenden auf Ziele für die Bewegungs- und Sportförderung und verpflichteten sich, die erarbeiteten Maßnahmen zeitnah auf den Weg zu bringen. Diesem furiosen Startschuss folgte u. a. unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) der Runde Tisch „Bewegung und Gesundheit“ - an dem die BVPG teilgenommen hat - und der nun eine Verstetigung braucht.


Folgeprozess zum Runden Tisch „Bewegung und Gesundheit" des BMG

In der Abschlusssitzung des Runden Tisches Ende 2023 wurden erste Ergebnisse mittels eines Konsenspapiers präsentiert. Inzwischen hat das BMG den angekündigten Folgeprozess terminiert, der den im Runden Tisch intensivierten Dialog und den gemeinsamen Impuls für mehr Bewegung und Sport verstetigen soll. Dabei ist der zwischenzeitlich erreichte Umsetzungsstand zu erörtern und die Ausgestaltung des Folgeprozesses abzustimmen.

Paradoxerweise wird durch das im August 2024 im Kabinett beschlossene „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) ein wesentlicher Teil der verhaltensbezogenen Prävention, der auch beim Runden Tisch und im Konsenspapier eine zentrale Rolle einnimmt, stark gefährdet. Oder deutlicher: Durch die angedachte Umwidmung von Geldern aus der verhaltensbezogenen Präventionsarbeit gemäß § 20 SGB V (Kursangebote mit Krankenkassenbezuschussung) werden über Jahrzehnte aufgebaute qualitätsgesicherte und präventiv wirksame Strukturen zerstört. Es braucht mehr Prävention, statt mehr Kurration! – wie es die BVPG in ihrer Stellungnahme zum Gesundes-Herz-Gesetz formuliert hat.


Nationales Kompetenzzentrum und/oder Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM)?

Im Rahmen des Konsenspapiers zum Runden Tisch ist das BMG zwei Selbstverpflichtungen eingegangen: erstens begrüßenswerter Weise zur Fortschreibung/Erweiterung der „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“. sowie zweitens zur Schaffung eines nationalen Kompetenzzentrums Bewegungsförderung.

Die Einrichtung eines solchen Kompetenzzentrums muss insbesondere mit den Aufgaben der transdisziplinären Entwicklung, Verbreitung und Koordinierung von Maßnahmen der Bewegungsförderung, der Kapazitätsentwicklung und Befähigung sowie der Multiplikation und Vernetzung betraut sein. Bewegungsförderung benötigt dringend eine eigenständige Agenda, da die Logiken, Interessen etc. im Bereich Bewegung und Sport deutlich anders gelagert sind als bspw. im Bereich Ernährung oder Suchtmittelprävention.

Zur Umsetzung sind eigenständige und ganzjährig tragfähige Arbeitsstrukturen auf Bundesebene essenziell, wie z. B. eine strukturell angemessene Verantwortungsübernahme auf bundespolitischer Ebene – etwa durch die Einrichtung eines eigenen Referats für Bewegungsförderung innerhalb des BMG. Folglich reicht es bei Weitem nicht aus, Bewegungsförderung als ein Querschnittsthema innerhalb des in der Errichtung befindlichen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) anzudocken.

Die Bewegungsförderung braucht auch innerhalb des BIPAM eine klare Zuständigkeit – ob nun in Form einer Abteilung oder als Stabsstelle, siehe BVPG-Stellungnahme Stärkung der Öffentlichen Gesundheit. Genau darauf haben die entsandten BVPG-Vorstandsmitglieder im Rahmen ihres Austauschs mit dem Bundesgesundheitsminister im März 2024 hingewiesen. Bleibt zu hoffen, dass das BMG entsprechend liefert und die BVPG sowohl im nationalen Kompetenzzentrum als auch im BIPAM eine hervorgehobene Rolle erhält.


BVPG-Arbeitsgruppe „Bewegung, Sport und Gesundheit"

Auf der diesjährigen BVPG-Mitgliederversammlung wurden für die Jahre 2024 bis 2026 vier Arbeitsschwerpunkte - Bewegung, Sport und Gesundheit sowie Gesundheitliche Chancengerechtigkeit; Klimawandel und Gesundheit und Psychische Gesundheit - definiert. Einer davon fokussiert die Bewegungsförderung – sowohl im Alltag als auch mit den Mitteln und Möglichkeiten des Sports.

Ziel ist, gemeinsam mit den BVPG-Mitgliedsorganisationen Policy Papers zu den vier Schwerpunktthemen zu entwickeln, die sich insbesondere an politische Entscheidungsträgerinnen und -träger richten und evidenzbasierte Thesen enthalten. Die Papiere sind speziell im Hinblick auf die Bundestagswahl 2025 von Bedeutung. Für die Bewegungsförderung muss es Ziel sein, den durch die Politik angekündigten Strukturaufbau und die Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen im Handlungsfeld von Bewegung, Sport und Gesundheit politisch einzufordern.


Strukturaufbau und klare Verantwortungsübernahme für Bewegungsförderung

Um die Bewegungsförderung vom politischen Reden in die Umsetzung zu bekommen, braucht es folgendes:

  1. Die Bewegungsförderung braucht – ähnlich der Ernährung – eine klare Verantwortung/Federführung auf der bundespolitischen Ebene sowie ein starkes nationales Kompetenzzentrum für Bewegungsförderung analog zur Ressourcenausstattung des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE).
  2. Für eine systematische Umsetzung der Bewegungsförderung braucht es eine von allen relevanten Akteuren der Gesundheitsförderung und Prävention gemeinsam getragenen Zielperspektive in Form eines nationalen Gesundheitsziels „Bewegungsförderung".
  3. Für eine Verbesserung der Bewegungsverhältnisse braucht es dauerhaft eine Ressort-übergreifende Zusammenarbeit und ein besseres Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen. Bei der Maßnahmenplanungen auf der Bundesebene sind die Kommunen zu beteiligen und die Bedarfe der kommunalen Ebene zu fokussieren.

Mit diesen politischen Impulsen bestückt, hat die BVPG auf Einladung hin stets alle relevanten politischen Prozesse zur Bewegungsförderung (z. B. den Runden Tisch des BMG) umfassend, kompetent, zuverlässig und gewissenhaft begleitet. Für 2025 ist zudem eine BVPG-Statuskonferenz „Bewegung, Sport und Gesundheit“ geplant. Bleibt mir abschließend der BVPG zum 70jähigen Jubiläum herzlich zu gratulieren und für die stets gewinnbringende Arbeit – insbesondere in den politischen Raum hinein – mit Nachdruck zu danken.


Dr. Mischa Kläber | Ressortleiter für Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund e.V. (DOSB). Zudem Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Darmstadt für die Themenfelder „Sport, Bewegung und Gesundheit“ sowie „Organisationsentwicklung“. Von 2002 bis 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Assistent (Habilitand) an der TU Darmstadt. DOSB-Vertreter in den verschiedensten Arbeitszusammenhängen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention (u. a. im Steuerungskreis und Ausschuss des Kooperationsverbundes gesundheitsziele.de, in der IN FORM-AG „Bewegungsförderung im Alltag“, im Arbeitskreis „Männergesundheit“ und dem Fachbeirat „Gesund und aktiv älter werden“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), in der Arbeitsgruppe „Ärztliche Bewegungsberatung“).