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Interview mit Prof. Dr. Susanne Bücker

„Mit der Prävention von Einsamkeit früh im Lebensverlauf beginnen!”

Einsamkeit ist in Deutschland weit verbreitet - etwa ein Viertel der Bevölkerung fühlt sich einsam. Welche Bevölkerungsgruppen betroffen sind, welche Bedeutung die frühzeitige Prävention hat und wie das Kompetenznetz Einsamkeit unterstützt, erläutert Prof. Dr. Susanne Bücker, Fakultät für Gesundheit an der Universität Witten/Herdecke.

Porträt von Prof. Dr. Susanne Bücker Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Witten/Herdecke
© Universität Witten/Herdecke (UW/H)

 

Frau Professorin Bücker, was genau ist unter Einsamkeit zu verstehen?

Die „eine” Definition der Einsamkeit gibt es tatsächlich gar nicht. In der Psychologie arbeiten wir häufig mit der Definition von den Letitia Anne Peplau und Daniel Perlman aus dem Jahr 1982. Einsamkeit wird dort erklärt als die „wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten sozialen Beziehungen und den tatsächlich bestehenden sozialen Beziehungen”, das heißt, diese Definition nimmt so eine Art Ist-/Soll-Wert-Diskrepanz an: Es gibt einen bestimmten Soll-Wert - so wünsche ich mir, dass meine sozialen Beziehungen sind - und es gibt einen bestimmten Ist-Wert - so sind meine sozialen Beziehungen gerade tatsächlich. Wenn ich da den Eindruck habe, das weicht voneinander ab „ich habe zu wenig soziale Beziehungen” oder „ich habe zu oberflächliche soziale Beziehungen”, dann würde dieses Einsamkeitserleben entstehen.

Wichtig bei dieser Definition ist, dass vor allen Dingen die Qualität der sozialen Beziehungen bedeutsam zu sein scheint und auch etwas wichtiger als die Quantität der sozialen Beziehungen. Es kommt also auf vertrauensvolle Beziehungen an, auf Beziehungen, die tiefgreifend sind, wo man emotionale Nähe verspürt und nicht ausschließlich auf „ich habe Menschen um mich herum”. Einsamkeit nach dieser psychologischen Definition deutet also einen Mangel an und ist damit auch per Definition immer etwas Negatives, vor allem, wenn sie chronisch auftritt.


Wie ist Einsamkeit in der Bevölkerung gesellschaftlich, regional und soziodemographisch verteilt? Welche Bevölkerungsgruppen sind vulnerabel?

Zunächst einmal kann man sagen, dass Einsamkeit über alle Lebensphasen hinweg auftreten kann. Wir wissen, dass sich schon Kinder und Jugendliche sehr einsam fühlen können. Insbesondere im jungen Erwachsenenalter, bei den 18- bis 29-Jährigen, und im sehr hohen Lebensalter, 80 plus, finden wir im Durchschnitt höhere Einsamkeitswerte als in anderen Altersgruppen.

Es gibt bestimmte sozioökonomische Risikofaktoren für Einsamkeitsgefühle. Beispielsweise weise Menschen mit niedrigem Einkommen, Alleinerziehende, Arbeitslose, Menschen mit Migrationsgeschichte oder/und in Armut lebende tendenziell höhere Einsamkeitswerte auf. Zu den weiteren vulnerablen Gruppen gehören Menschen mit chronischen Erkrankungen, Menschen, die pflegebedürftig sind sowie deren pflegende An- und Zugehörige.

Zudem scheint es nicht so zu sein, dass Männer oder Frauen höhere Risiken haben, Einsamkeitsgefühle zu entwickeln. Im hohen Lebensalter findet man häufig mehr Frauen, die sich einsam fühlen – das liegt aber vor allem daran, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und ihre Partner überleben.

Bei der regionalen Verteilung der Einsamkeit in Deutschland scheint es keine Unterschiede zwischen Stadt und Land zu geben. Es fällt auf, dass die Einsamkeitswerte in den ostdeutschen Bundesländern etwas höher sind. Vor allem sind es Regionen, die sozioökonomisch etwas schwächer sind. Im Einsamkeitsbarometer 2024, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), ist der Vergleich nach Bundesländern dargestellt.


Gibt es „Risikophasen” im Lebensverlauf? Was sind die Ursachen?

Im hohen Lebensalter sind die Ursachen anders gelagert als im jungen Erwachsenenalter. Im höheren Lebensalter werden häufig die abnehmende Gesundheit und damit einhergehende Mobilitätseinschränkungen oder der Verlust eines Partners als ein Auslöser für Einsamkeitsgefühle beschrieben.

Das junge Erwachsenenalter wird gerne als „Rushhour des Lebens” beschrieben, in der ganz unterschiedliche Entwicklungsaufgaben an junge Erwachsene gestellt werden. Entwicklungen, die gesellschaftlich als „normal” angesehen werden und wo quasi die Gesellschaft „erwartet”, dass man diese Meilensteine in einer bestimmten Zeit erreicht, wie zum Beispiel der Auszug aus dem Elternhaus, möglicherweise ein erster Umzug für Ausbildung oder Studium. Dann verändert sich häufig das soziale Netz.

In der Regel beginnen in dieser Phase auch erste stabile romantische Paarbeziehungen, die aber häufig noch nicht so stabil sind wie dann im mittleren Erwachsenenalter. Typischerweise ist das junge Erwachsenenalter auch durch sehr viel Instabilität in den Beziehungen gekennzeichnet, es wird also eher ausprobiert, wer man sein möchte und mit wem man gerne zusammen sein möchte. Es ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe, die eigene Identität zu finden und zu stabilisieren. Dafür brauchen wir häufig auch andere Menschen als sozialen Spiegel.

Das junge Erwachsenenalter ist auch eine Lebensphase, in der Menschen typischerweise sehr viele soziale Beziehungen brauchen. Das Bedürfnis, quantitativ viele Kontakte zu haben, ist im jungen Erwachsenenalter tendenziell höher als in den späteren Lebensphasen. Gleichzeitig haben viele junge Menschen aber auch Erwartungen an ihre sozialen Beziehungen und wünschen sich, dass soziale Beziehungen „unter die Haut gehen” und dass sie sich verstanden fühlen. Diese zwei Bedürfnisse, also eine hohe Quantität und in hohe Qualität der Sozialbeziehungen, lassen sich manchmal nicht so gut miteinander vereinbaren.

Dementsprechend ist es in dieser Lebensphase dann ein Stück weit normal, dass man ins Straucheln gerät und dass Einsamkeitsgefühle entstehen können. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Gefühle für immer bleiben. Viele junge Menschen erleben in dieser Phase größere Einsamkeitsgefühle, erholen sich aber davon. Manche schaffen nicht, aus diesem Gefühl der Einsamkeit herauszukommen, gerade wenn sie viel Zurückweisung erleben oder Diskriminierung erfahren, wo eine Bestätigung so besonders wichtig wäre. Studien zufolge berichtet ungefähr ein Viertel der jungen Menschen über hohe Einsamkeitsgefühle, bei etwa 15 Prozent entwickelt sich eine chronische Einsamkeit.


Chronische Einsamkeit hat wissenschaftlich nachgewiesen weitreichende gesundheitliche – physische und psychische – Folgen. Welche chronischen Krankheiten können durch Einsamkeit entstehen?

Auf Seiten der psychischen Störungen wird Einsamkeit in enger Verbindung zur Depression, zur Angststörung, aber auch zu Substanz-Abhängigkeitserkrankungen gesehen. Hier zeigten sich oft wechselseitige Beziehungen. Die psychischen Störungen, wie beispielsweise Depressionen oder auch soziale Angststörungen, können Einsamkeitsgefühle auslösen. Gleichzeitig führt Einsamkeit aber oft auch zu einer Verstärkung der Symptomatik von Depressionen und Angststörungen und die Substanzabhängigkeit hat oft auch etwas mit einer Art Selbstmedikation zu tun. Hier kompensieren Betroffene oft ihren Schmerz und ihr Gefühl des Verlassenseins, indem sie zum Beispiel in zu hohem Ausmaß Alkohol konsumieren.

Es gibt aber auch weitere psychische Störungen, von denen bekannt ist, dass sie mit höheren Einsamkeitswerten einhergehen, allerdings weiß man da häufig nicht, was Ursache und was Folge ist. Beispielsweise berichten Patientinnen und Patienten mit einer Schizophrenie über höhere Einsamkeitswerte. In diesem Fall ist wahrscheinlicher, dass es diese Menschen aufgrund der Symptomatik ihrer Erkrankung häufig schwerer haben, in sozialen Beziehungen gut zurecht zu kommen und in der Folge Ablehnung erfahren, die dann in Einsamkeit resultiert.

Bei den körperlichen Folgen haben wir auch eine große Anzahl an Erkrankungen, die mit Einsamkeit einher gehen oder auch Einsamkeit folgen können: das sind zum Beispiel kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch Schlaganfälle, Diabetes, Demenz oder entzündliche Erkrankungen wie beispielsweise rheumatoide Arthritis.

Als Erklärung wird angenommen, dass Einsamkeit eine Art chronischer Stress ist und diese starke chronische Stressreaktion wiederum die Cortisol-Reaktivität negativ beeinflusst. Das Immunsystem wird dadurch nachhaltig geschwächt, wodurch chronische Erkrankungen schneller entstehen können. Gleichzeitig wissen wir auch, dass einsame Menschen ein negativeres Gesundheitsverhalten zeigen. Sie sind im Alltag häufig weniger aktiv, ernähren sich tendenziell ungesünder und konsumieren mehr schädliche Substanzen wie Alkohol oder Nikotin.


Wie hoch ist das präventive Potenzial in Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Einsamkeit? Wann und wie sollte mit Prävention begonnen werden?

Gesunde soziale Beziehungen zu gestalten, ist ein sehr starker Prädiktor dafür, auch gesund zu altern. Dementsprechend ist Einsamkeitsprävention, also die Stärkung der sozialen Gesundheit und der sozialen Beziehungen, ein ganz entscheidender Faktor, wenn wir über Gesundheitsprävention sprechen.

Man weiß, dass es für verschiedene Erkrankungen, wie beispielsweise bei der Demenz, effektiver ist, soziale Beziehungen bereits im jungen und mittleren Lebensalter zu stärken. Hier haben soziale Beziehungen also einen schützenden Effekt auf Gesundheit. Idealerweise sollte man mit gesundheitlicher Prävention so früh wie möglich beginnen! Wenn wir also so über Prävention im Allgemeinen sprechen, dann ist das auch ein Thema, das beispielsweise in der Schule einen Raum finden sollte. Körperliche Aktivität oder gesunde Ernährung sind ja auch Themen, die bereits im Bildungskontext angesprochen werden. Die Gestaltung sozialer Beziehungen vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Folgen erhält jedoch bislang wenig Berücksichtigung.

Wenn Menschen hochaltrig sind und weitere körperliche Beschwerden hinzu kommen, ist es sehr viel schwieriger, aus der Einsamkeit herauszukommen. Wenn man zum Beispiel 70 Jahre alt ist, ist das Risiko, einsam zu bleiben, sehr viel höher, als wenn man erst 40 Jahre alt und einsam ist. Dementsprechend sollten Präventionsansätze gegen Einsamkeit auch möglichst früh beginnen, idealerweise bereits im Kindes- und Jugendalter, allerspätestens im jungen/mittleren Erwachsenenalter!

Die Arbeitsgruppe Entwicklungspsychologie der Universität Witten/Herdecke führt derzeit unter meiner Leitung eine „Gefühlstudie” durch, für die noch Teilnehmende gesucht werden. Über die 30-minütige Online-Befragung der Eltern möchten wir Erkenntnisse über die Ausprägung bestimmter Persönlichkeitscharakteristika von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren erhalten.

Grundsätzlich sollte es über dort, wo Menschen mit anderen in Kontakt kommen, Interventionen gegen Einsamkeit geben. Beispielsweis in der Schule bietet es sich an, das Thema stärker in die Nachmittagsbetreuung zu integrieren. Auch Vereine könnten es sich zur Aufgabe machen, für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren. Vom Deutschen Olympischen Sportbund e.V. (DOSB) gibt es dazu aktuell die Kampagne „Verein(t) gegen Einsamkeit”. Aber auch Hausärztinnen und Hausärzte haben eine wichtige Rolle. Es wäre gut, wenn sie ihre Patientinnen und Patienten informieren, welche gesundheitlichen Konsequenzen Einsamkeit hat und welche Angebote es im unmittelbaren Umfeld gibt. Ein Factsheet wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auch Kirchengemeinden oder andere Religionsgemeinschaften könnten hier eine Rolle spielen. Natürlich ist es auch sinnvoll, Angebote und Kampagnen nicht ausschließlich in deutscher Sprache anzubieten, sondern auch andere Sprachen mitzudenken.

Es müssen also verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammenwirken. Ein Ressort allein kann dieses Gesundheitsproblem nicht lösen. Ziel muss es sein, alle dafür zu sensibilisieren, dass soziale Beziehungen für die Gesundheit sehr wichtig sind! Bei allen Angeboten, Projekten und Gesetzen sollte überlegt werden, wie sich diese Veränderung auf die Gestaltung der sozialen Beziehungen auswirkt.


Welche gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen und Belastungen des Gesundheitssystems stehen in Zusammenhang mit Einsamkeit?

In Großbritannien gibt es Zahlen, die beschreiben, dass die auf Einsamkeit folgenden gesundheitlichen Einschränkungen zu einer Belastung im Gesundheitssystem führen. Zudem geht die chronische Einsamkeit häufig auch mit mehr Krankheitstagen, also mit weiteren ökonomischen Kosten, einher. Welche Kosten Einsamkeit in Deutschland verursacht, ist bislang nicht erforscht worden.

Wir wissen, dass Menschen, die sich chronisch einsam fühlen, „wählen gehen” nicht so sehr als ihre gesellschaftliche Aufgabe verstehen. Wenn sie wählen, interessieren sie sich eher für rechtsradikalere Parteien und teilen deren Einstellungen. Menschen, die häufig die Erfahrung machen, dass sie in irgendeiner Weise nicht akzeptiert oder angenommen werden, suchen sich bestimmte Nischen, in denen sie sich bestätigt fühlen. Das kann dann auch in einem radikalisierten Umfeld der Fall sein.

Zudem geht chronische Einsamkeit mit einem stärkeren Misstrauen anderen Menschen und anderen Institutionen einher. Dementsprechend lässt man sich leichter durch andere beeinflussen, und es kann zu einem stärkeren Glauben an Verschwörungserzählungen kommen.

Das sind gesellschaftliche Folgen, die schwer ökonomisch quantifizierbar sind, die aber zeigen, dass dieser Mangel an gesellschaftlichem Zusammenhalt und auch an zwischenmenschlichem Vertrauen schlussendlich demokratiegefährdend sein kann.


In Ihrer entwicklungspsychologischen Forschung widmen Sie sich auch dem Phänomen des Selbstwerts. Welche Rolle spielt dieser im Kontext von Einsamkeit? Welche Rolle spielt Scham?

Das Selbstwertgefühl spielt eine große Rolle. Menschen, die ein niedriges Selbstwertgefühl haben, glauben, dass sie weniger wert sind als andere, dass sie es auch nicht wert sind, dass man mit ihnen Zeit verbringt. Sie werten sich oft selbst sehr stark ab und geben sich die Schuld für das Versagen in unterschiedlichen Kontexten und Situationen.

Dieser niedrige Selbstwert geht einher mit Einsamkeitsgefühlen. Wenn ich mich sehr einsam fühle, zweifle ich möglicherweise stärker an mir, mache mir Gedanken, ob etwas mit mir nicht stimmt. Die Ursachen werden häufig bei der eigenen Person gesucht und belasten das Selbstwertgefühl.

Das Thema Einsamkeit ist oft sehr schambehaftet, gerade wenn sie in jüngeren Lebensphasen auftritt, denn gesellschaftlich ist das Thema Einsamkeit häufig nach wie vor mit einem hohen Lebensalter verbunden. Eine Entstigmatisierung von Einsamkeit und mehr Offenheit, über negative Emotionen zu sprechen, muss daher „salonfähiger" werden.

Unsere empirischen Studien zeigen, dass sich über 80 Prozent aller Menschen in Deutschland irgendwann in ihrem Leben schon einmal einsam gefühlt haben. Die allermeisten kennen also dieses Gefühl. Es kann Betroffenen sehr helfen, ein entlastendes Gespräch zu führen und offen über ihre Gefühle zu reden. Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, Ratschläge zu erhalten, sondern die Gefühle auszusprechen und Verständnis zu erfahren.


In der Jahresmitte 2022 startete die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit der Entwicklung einer Nationalen Strategie gegen Einsamkeit, die im Dezember 2023 vom Kabinett beschlossen wurde. Das Kompetenznetz Einsamkeit begleitet die Umsetzung. Wie soll der Einsamkeit in der Bevölkerung wirksam begegnet werden? Welche konkreten Ziele werden verfolgt?

Das Kompetenznetz Einsamkeit ist ein Zusammenschluss aus Expertinnen und Experten, die zum Thema Einsamkeit arbeiten. Zudem gehören dem Netzwerk Akteurinnen und Akteure an, die zum Beispiel in der Sozialarbeit tätig sind.
Die Bundesregierung möchte mit dieser Strategie gegen Einsamkeit für das Thema sensibilisieren und zuverlässigere Datenquellen schaffen. Bundesweite Hilfs- und Beratungsangebote, Austauschformate oder Publikationen zum Thema, wie das Einsamkeitsbarometer, das über die Langzeitentwicklung von Einsamkeitsbelastungen in Deutschland 1992-2021 und zukünftig informiert, gehören zum umfangreichen Angebot des Kompetenznetzes Einsamkeit. Ein Teil dieser Strategie gegen Einsamkeit ist auch das Modellvorhaben „Mental Health Coaches” für Kinder und Jugendliche, das an Schulen und in der Ganztagsbetreuung seinen Einsatz findet.


In Großbritannien wurde 2018 ein Ministerium für Einsamkeit geschaffen. Mit welchem Erfolg? Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

In Großbritannien ist das kein eigenes Ministerium, sondern ein bestehendes Ministerium hat einen weiteren Zuschnitt erhalten. Im Grunde genommen war der Erfolg, dass über diese Maßnahme überall gesprochen wurde und für das Thema eine hohe Aufmerksamkeit generiert werden konnte. Gleichzeitig macht Großbritannien viel mehr im Bereich des sogenannten „social prescribings” und im Bereich der Einsamkeitsforschung.

Aber auch Deutschland macht Fortschritte: Im Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es die Stabsstelle „Demokratischer Wandel und Einsamkeit”, die in der Staatskanzlei angesiedelt ist, Berlin-Reinickendorf ist bundesweit die erste Kommune mit einer Einsamkeitsbeauftragten.


Zum Schluss noch ganz konkret: Welche praktischen Hinweise für Maßnahmen der Prävention und der Intervention können Sie benennen?

Es gibt wirklich sehr viele themenspezifische und auf unterschiedliche Lebensphasen angepasste Angebote wie beispielsweise die erfolgreiche Telefonhotline „Silbernetz”, die sich speziell an einsame, ältere Menschen richtet, oder „Krisenchat” für jüngere Menschen.

Ich denke, es würde helfen, wenn wir unsere Mitmenschen bewusster wahrnehmen und auch mal den Blickkontakt suchen. Diese kleinen sozialen Interaktionen im Alltag tragen dazu bei, dass sich alle Menschen gesehener und wertgeschätzter fühlen.


Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG).


Lesen Sie dazu auch:

BVPG-Interview mit Expertinnen und Experten des Präventionsforums 2023 über die Anforderungen an Gesundheitsförderung und Prävention in der Arbeitswelt von morgen.

Gastbeitrag von Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE): „Inklusives Gesundheitssystem schaffen - Barrieren abbauen!”

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Prof. Dr. Susanne Bücker | Seit Oktober 2023 Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Witten/Herdecke. Forschungsschwerpunkte sind Einsamkeitsentwicklung von der Kindheit bis ins hohe Lebensalter, Einflussfaktoren auf und Konsequenzen von Einsamkeit. Initiatorin von InLoNe (Interdisziplinäres Forschungsnetzwerk Einsamkeit). Prof. Bücker war sachverständiges Mitglied in der Enquetekommission zu Einsamkeit im Landtag NRW und berät regelmäßig politische Gremien auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zu Einsamkeit.