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Interview mit Stefan Bräunling

„Gesundheitliche Chancengleichheit ist unabhängig von Status, Herkunft und Geschlecht“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt mit dem Motto „Building a fairer, healthier world“ zum diesjährigen Weltgesundheitstag am 7. April den Schwerpunkt auf gesundheitliche Chancengleichheit. Interview mit Stefan Bräunling, Leiter der Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit.

Porträt Stefan Bräunling
© J. Dirks/Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.

 

Der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit ist im Jahr 2003 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gegründet worden. Heute gehören dem Verbund deutschlandweit 74 Organisationen an – darunter auch die BVPG. Die Leitziele sind: Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit in Deutschland und Unterstützung der Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen. Auf welche Erfolge des Kooperationsverbundes sind Sie besonders stolz?

Grundsätzlich erst einmal: Der Kooperationsverbund setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch, unabhängig von Einkommen oder sozialem Status, die besten Möglichkeiten bekommen soll, um gesund zu sein und zu bleiben. Seit seiner Gründung vor knapp zwanzig Jahren konnte der Verbund wichtige Beiträge zum Strukturaufbau und zur Verbesserung der Qualität in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung leisten.

Nennen möchte ich den Good Practice-Ansatz zur Qualitätsentwicklung. Hier konnten zwölf allgemein anerkannte Kriterien für soziallagenbezogene Gesundheitsförderung entwickelt und bereits eine große Anzahl von Good Practice-Beispielen in allen Handlungsbereichen ausgezeichnet werden. Die Kriterien wie beispielsweise Zielgruppenbezug, niedrigschwellige Arbeitsweise, Vernetzung oder Qualitätsmanagement bedingen sich stets gegenseitig. Sie helfen, Maßnahmen besser zu planen und umsetzen zu können.

In allen Bundesländern wurden im Rahmen des Kooperationsverbundes Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) aufgebaut. Sie tragen wesentlich zur Koordination und Unterstützung von Aktivitäten zur soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung vor Ort, also in den Kommunen, Quartieren und Lebensräumen der Menschen, bei.

Und drittens: Im kommunalen Partnerprozess, der den Titel „Gesundheit für alle“ trägt, entwickeln immer mehr Kommunen integrierte Strategien, sogenannte Präventionsketten, zur Förderung der Gesundheit und setzen diese vor Ort um.


Seit Beginn der Corona-Pandemie, die vor über einem Jahr auch Deutschland erreichte, sind die Herausforderungen größer geworden – oft wird von einer Verstärkung der sozialen Ungleichheiten durch COVID-19 gesprochen. Wie haben Sie Ihre Arbeit an die aktuelle Situation angepasst?

Gerade im ersten Lockdown sind viele kreative Ansätze entstanden, um mit der Pandemie und ihren Folgen umzugehen. Der Kooperationsverbund hat auf dem Austauschportal inforo die vielfältigen Aktivitäten sichtbar gemacht, die sich an Menschen in schwieriger sozialer Lage richteten. So konnte eine soziale Nähe trotz physischer Distanz hergestellt werden. Das hat sehr ermutigend gewirkt!

Mittlerweile liegt nun unser Augenmerk darauf, Forschungsergebnisse, die Auswirkungen der Pandemie insbesondere auf vulnerable Gruppen belegen, bekannt zu machen und in die Diskussion zu bringen.


Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Wie könnte die Vision für das Motto „Building a fairer, healthier Germany“ erreicht werden, also eine Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit in Deutschland?

Der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit teilt die Vision der WHO von einer solidarischen Gesellschaft, in der alle Menschen das Grundrecht auf ihren bestmöglichen Gesundheitsstatus genießen. Dieser ist unabhängig von sozialem Status, Herkunft, Alter und Geschlecht!

In einer solchen Gesellschaft wird die Förderung der Gesundheit und des Wohlergehens der Menschen nicht alleinige Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) sein. Es ist eine Aufgabe für alle Fachbereiche, die dann übergreifend zusammenarbeiten. Auch die Zivilgesellschaft wird stärker denn je mit einbezogen. Die prioritären Gesundheitsziele sind die Förderung des sozialen Zusammenhalts und die Beteiligung aller am Leben in der Gemeinschaft.

Grafische Darstellung der Lebenswelt „Quartier/Stadtteil“

Konkret sieht das so aus: Vielfältige Angebote und Initiativen unterstützen wohnortnah und koordinierende Netzwerke werden in allen Kommunen eine Selbstverständlichkeit. Vermittelnde Hilfen, die wir heute noch als wunderbare Pilotprojekte kennenlernen, beispielsweise die „Stadtteilmütter“ oder Gesundheitsfachkräfte in Lebenswelten, werden dann – in der Stadt ebenso wie in ländlichen Räumen – Regelangebote sein.


Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.


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Prävention und Gesundheitsförderung – Schwerpunkt Gesundheitliche Chancengleichheit. Interview mit Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, Vorständin Sozial- und Fachpolitik Deutscher Caritasverband, Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland und Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - Gesamtverband.

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Stefan Bräunling | Leiter der Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit, die bei Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. angesiedelt ist. Arbeitsschwerpunkte Gesundheitsförderung im Quartier, Gesundheitsförderung bei Erwerbslosen. Publikation: Böhm, K. et al. (Hrsg.): Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Konzept Health in All Policies und seine Umsetzung in Deutschland. Springer VS, 2020.; Dipl.-Psych. und MPH.

Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit | Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen – das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 74 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit.